Keine Gewerbesteuer bei Aufwärtsinfizierung

1.           Das Urteil des BFH vom 5.9.2023 – IV R 24/20

Mit Urteil vom 5.9.2023 hat der BFH klargestellt, dass eine Mitunternehmerschaft, die nur aufgrund der gewerblichen Fiktion nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG gewerbliche Einkünfte bezieht, deshalb noch nicht als Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG gilt und nicht der sachlichen Gewerbesteuerpflicht unterliegt (BFH, Urteil vom 5.9.2023 – IV R 24/20, DStR 2023, 2490 Rn. 104ff.).

Damit bestätigte der BFH die Auffassung des FG Köln vom 26.06.2020 und mithin auch die bisherige Rechtsprechung des IV. Senats zur Gewerbesteuerfreiheit von gewerblich infizierten Personengesellschaften im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alt. 2 EStG.

2.           Gegenstand der Entscheidung

In der Sache geht es um eine teleologische Reduktion der sachlichen Gewerbesteuerpflicht nach § 2 GewStG. Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, vermietete umfänglich eigenen Grundbesitz und erzielte daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Daneben beteiligte sie sich an einer GmbH & Co. KG, die (originär) gewerbliche Einkünfte erzielte und als Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 GewStG auch der Gewerbesteuer unterlag.

Infolge einer Betriebsprüfung hatte das Finanzamt alle Einkünfte der Klägerin einheitlich als solche aus Gewerbebetrieb festgestellt. Das Finanzamt berief sich auf die zwischenzeitlich im Gesetz verankerte Aufwärtsinfektion, § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alt. 2 EStG. Nach Kürzung um die Beteiligungseinkünfte, die bereits auf Ebene der GmbH & Co. KG der Gewerbesteuer unterlagen, unterwarf das Finanzamt die verbliebenen Einkünfte der Gewerbesteuer. Dabei handelte es sich ausschließlich um originär vermögensverwaltende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Der IV. Senat des BFH bestätigte die umfassende Gewerblichkeit der Einkünfte aufgrund Aufwärtsinfizierung, befreite diese aber von der effektiven Belastung mit Gewerbesteuer. Er begründet dies mit dem grundgesetzlich verankerten Gleichheitssatz, der im vorliegenden Fall die Schlechterstellung von vermögensverwaltenden Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmern verbiete. Hinzu komme ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, weil die Gewerbesteuerbelastung ausschließlich nicht gewerbliche Einkünfte treffen würde, während die Aufwärtsinfizierung auslösende gewerbliche Beteiligungseinkünfte aus dem maßgeblichen Gewerbeertrag zu kürzen seien (§ 9 Nr. 2 GewStG).

3.           Das Urteil des BFH vom 30.11.2023 – IV R 10/21

Mit Urteil vom 30.11.2023 wiederholte der BFH seine Judikatur und etabliert diese als ständige Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 30.11.2023 – IV R 10/21, DStR 2024, S.97 Rn. 52; Vorinstanz FG Brandenburg Urteil vom 11.3.2021).

4.           Praktische Bedeutung der Rechtsprechung

Die Aufwärtsinfizierung stellt sich in der Praxis insbesondere bei vermögensverwaltenden Holdinggesellschaften als problematisch dar, die ihrerseits in transparente Strukturen investiert sind – in geschlossenen Fonds, bei Family Offices oder im Bereich Real Estate eine Standardsituation. Ob dann alle Beteiligungsgesellschaften wirklich nur vermögensverwaltend tätig oder nicht doch irgendwo gewerblich geprägt oder infiziert sind, kann die Holding oft nicht mit Sicherheit sagen. Daraus erwächst eine Unsicherheit im Tatsächlichen, die in der Erklärungspraxis aufgefangen werden muss. Der Hinweis, man könne ja Parallelstrukturen aus gewerblichen und vermögensverwaltenden Einheiten aufbauen – so nicht zuletzt der BFH im Besprechungsurteil unter C.II.2. lit. d), Rz. 112 unter Verweis auf BVerfG-Urteil vom 10.4.2018 – 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217, Rz. 111 – hilft dann nur eingeschränkt weiter und kommt überdies häufig zu spät.   

Man darf gespannt sein, ob es auch in Zukunft bei der Rechtslage bleibt. Die erste Entscheidung des IV. Senats zur teleologischen Reduktion bei Aufwärtsinfizierung aus dem Jahr 2019 wurde von der Finanzverwaltung mit einem Nichtanwendungserlass belegt. In der Literatur wurde die Verwaltungspraxis in Bezug auf die Schaffung einer unklaren Rechtslage und deren Beibehaltung über mehrere Jahre scharf kritisiert. So heißt es in einem Aufsatz, dass „der Gang nach Karlsruhe vorprogrammiert“ [sei] und man sich zunehmend fragen müsse, „was das Ganze soll“ (Korn/Scheel, (Keine) Zukunft der gewerblichen Infektion von Personengesellschaften, DStR 2019, 1665 (1673)).

Die Rechtsprechung des IV. Senats schafft jetzt die ersehnte Rechtssicherheit, ohne das Gewerbesteueraufkommen zu gefährden. Denn die Aufwärtsabfärbung setzt ja begrifflich voraus, dass die Einkünfte bei der abfärbenden Gesellschaft bereits gewerbesteuerlich gewürdigt wurden – so auch der BFH im Besprechungsurteil unter Ziff. C.II.3. lit. d), Rz. 112 Rn. 124. Kommt die Abfärbung aus dem Ausland, beispielsweise über die Beteiligung an einer gewerblich tätigen oder geprägten Limited Partnership, dann findet insoweit auch der Anwendungsbereich inländischer Gewerbesteuer seine Grenze.

Diesmal soll das ausführlich begründete Urteil dem Vernehmen nach im Bundessteuerblatt veröffentlicht werden. Die Finanzverwaltung erweist sich damit als guter Verlierer. Gleichzeitig verfestigt sich die Rechtsprechung des IV. Senats des BFH in einer Reihe von Parallelentscheidungen, so dass das Thema seinen vorläufigen Abschluss gefunden zu haben scheint.

5.           Beratung und Ausblick

Trotz der Eindeutigkeit und Klarheit der Rechtsprechung des IV. Senats ist in der Beratung weiter Vorsicht angeraten. Denn die teleologische Reduktion gilt nur für die Aufwärtsinfektion, nicht jedoch für die Seitwärtsinfektion. Eine wie auch immer geartete weitere gewerbliche Tätigkeit der Mitunternehmerschaft hat sofort die Gewerblichkeit aller Einkünfte zur Folge, auch der originär vermögensverwaltenden Einkünfte. Auf die geschäftsleitende Holding beispielsweise dürfte das Besprechungsurteil keine Anwendung finden.

Hinzu kommt die Ungewissheit, ob sich der Gesetzgeber einmischen und die Gewerbesteuerpflicht aufwärtsinfizierter Einkünfte positivrechtlich festschreiben könnte. Gerade bei einer Gewerbesteuer, die dem gewöhnlich schier endlosen Finanzierungsbedarf der Kommunen nachkommen soll. Wer die Risiken der Aufwärtsinfizierung jetzt zu sorglos ausklammert, könnte im Fall der Fälle kalt erwischt werden und einmal geschaffene Strukturen dann nicht schnell genug nachjustieren können. Im Zweifel sollte man daher auch zukünftig ein wachsames Auge auf die Aufwärtsinfizierung und ihre möglichen Konsequenzen haben.